schweben und leben…

schweben und leben…

ich bin der schmetterling
der hoch am himmel hing

und flimmerte
und schimmerte

so daß der mensch der unten stand
als dunkler punkt im bunten park

den kopf hob und verwundert fand
wie hell die welt sei und wie stark –

wie klein er sei –
wie weit und frei

mein winziges und kurzes leben
in dem ich jubeln darf und schweben…

eben
leben…

Christina Egan ©2020

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Peacock butterfly, its bright-red and patterned wings spread out against a delicate green and white plant.

What makes these musings verse is sound, rhyme, and rhythm. To read aloud!

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This poem was published in the Münsterschwarzacher Bildkalender 2023, on the back of this beautiful image. (Photograph: Peacock butterfly. kie-ker via Pixabay.)

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It was inspired by a poem by Josef Haselberger. We have written and exchanged
poetry for a very long time. I have several friends who are poets, and so does he.

Frühlingsanfangsvorfreude

Frühlingsanfangsvorfreude

Das Spiel des Lichtes und das Spiel der Winde
auf goldnem Haar und goldnem Mauermoos,
die Käferlandschaft rauher brauner Rinde
und große Schmetterlinge, schwerelos…

Hundertmal dieselbe Runde drehen,
wenn zuletzt die Lebenskraft verfällt,–
aber nie hat man sich sattgesehen,
nie am Erdkreis noch am Himmelszelt!

Blaue Gaukeleien: Himmelssplitter!
Feuerfarbne Falter: Funkenflug!
Vogelchor, Geläute und Gewitter,–
niemals trinken Aug und Ohr genug.

Christina Egan ©2023

The title means “Looking forward at the beginning of spring” in one word: “spring-beginning-forward-joy”! A poem about old age, full of hope and zest. It was written on spring equinox, after a walk round the block with a very aged person. Poignantly, soon after, the person grew too weak for walks.

Nachruf auf einen Gärtner

Photo of walnuts
Photograph: Gokhan Tek via Pixabay.
Title page of calendar: white windmill against blue sky.

Der Nebel hebt sich

Der Nebel hebt sich

(Schloß Fasanerie bei Fulda)

Der Nebel hebt sich,
und der Rauhreif auf den Weiden,
feine Spitze, glitzert auf.

Aus dichten Fichtenschirmen sprühn
kapellenglockenhelle
Stimmen ohne Zahl.

Ein Vöglein folgt, dort oben, sieh,
mit dunklen Flügeln, gelber Brust,
ein Sonnenstrahl!

Ein niedrer Wolkenstreif muß weichen,
und der bleiche Mond, des Dunkels Geist,
desgleichen.

Der ausgelaugte Himmel blaut,
der federnd-feste Boden taut,
gurgelt und gärt…

Noch wehrt der Winter sich,–
bezwungen ist er schon.
Die Erde atmet wieder tiefer…

Und wer nur auf den Hügel steigt
und schaut und hört und spürt,
kriegt neue Kraft und Lust!

Christina Egan © 2017

A new poetic form: three lines in each stanza, with irregular lenght and irregular rhymes — but each stanza having ten stressed syllables, with one unstressed syllable in between, making the flow of the language regular, natural and musical at the same time!

The poem was written on February 14th. The Rhön mountains have a harsh climate with long winters characterised by cold and snow and fog. All the more is spring welcome, even the early signs of it…

Schlüsselwörter

Schlüsselwörter

I.

Himmelstreppenbauten

Die Kunst ist groß mit ihren Himmelstreppenbauten
und größer die Musik mit unerhörten Lauten;
gewebt aus weißen Daunen schwebt das Wort vorbei
und bleibt, als ob’s ein Bild aus schwerer Bronze sei.
Das Leben aber ist allein der Born des Lebens,
und ohne Liebe sinnt und schafft der Mensch vergebens.

Three letters on colourful paper, with a real flower matching the ones pictured.

II.

Schmaler Strahlenpfad

Aufflackert hier und dort ein schmaler Strahlenpfad
Gebet ist auch Geschehen; auch ein Gruß ist Tat.
O wenn die Erdenaugen es nur schauen könnten
wie sich Geschwister fraglos zueinanderwenden!
Der Engel Botenflug ist schattenlos und schnell,
doch auch der Menschen Bruderherz ein Gnadenquell.

Initial of mediaeval manuscript, filled with monks and nuns singing from such a missal on a lectern above them; in gold and bright red, blue and green

III.

Sommerabendblau

Ein sommerabendblaues Wort ist uns geschenkt,
ein sommermorgengoldnes gleich darangehängt,
die unsre Wildnis oder Wüste fern umsäumen
und mehr an Kraft enthalten, als wir uns erträumen:
Vertrauen in Bedrängnis ist uns zugeteilt
und Hoffnung auf den Himmel, der die Erde heilt.

Christina Egan © 2019


Three philosophical poems in praise of:
life and love (which can surpass art);
greeting and prayer (which can surpass deeds);
trust and hope (which can surpass strength).

Written for a community of prayer
affiliated to a Benedictine convent 
(Abtei Münsterschwarzach).


Photograph of letters: Christina Egan © 2020.
Photograph of mediaeval manuscript by Sailko
(own work) via Wikimedia Commons (
CC BY-SA 3.0). 

Ein helles Heute / Bunte Gnadenspur

Morgengebet
(Ein helles Heute)

Church portal with iron lantern seen through window with grate; all light-grey and light-blueAus der Schönheit blüht uns Freude,
Freude grünt uns aus der Kraft.
Schenk’ uns, Herr, ein helles Heute,
das aus Freude Frieden schafft.

Aus dem Leiden wächst uns Glauben,
und Geduld reift aus dem Schmerz.
Schenk’ uns Stille und Vertrauen,
führ’ uns heimlich himmelwärts.

Christina Egan © 2019


Tischgebet
(Bunte Gnadenspur)

Wir halten inne, denn das Mahl ist buntTraces of colour on the floor from church windows: blurred bright patches.
an Farbe, Würze und Beschaffenheit;
wir halten inne, um mit Herz und Mund
zu danken für die satte Friedenszeit.

Wir danken für die reiche Frucht der Erde,
die unerschöpfte Urkraft der Natur,
für unsrer unentwegten Mühen Ernte:
Wir danken für die bunte Gnadenspur.

Christina Egan © 2019


Photograph of convent: Christina Egan © 2014. —
Photograph of light from church windows by 3268zauber.

Der Graben

Der Graben

Meine Kraft sinkt wie der Sand
durch das Sieb der Müdigkeit…
Zum Zerbrechen angespannt
schwankt mein langgeschwächter Leib.

Her springt niemand, denn ich zwinge
knapp mich von des Grabens Rand,
eh’ er meinen Schritt verschlinge,–
meine Not bleibt unbekannt.

Unbenannt bleibt meine Fehde
mit dem trüben Grabeshauch:
Die Gesellschaft scheut die Rede
von des Giftes stummem Lauf.

Auch mein Mut sinkt wie der Sand
durch das Sieb der Müdigkeit…
Schreite ich durchs Schattenland
ungelebter Lebenszeit.

Christina Egan © 2018

This elegy could be about drugs or 
medical drugs – or toxic substances 
in the environment.

I hold that with all our ‘progress’, we
are gradually poisoning ourselves:
a cruel collective suicide.

Die blauen Fernen

Die blauen Fernen

Fernab der Meere und der mächtgen Ströme
liegt meine Hügelheimat hingebreitet;
mit jeder Wendung, Steigung, die ich nehme,
wird mir der Blick auf neue Höhn geweitet.

Was braucht es Meere, wenn uns Wald und Wiesen
und Feld und Felsen und die blauen Fernen
wie Wellenberge, Wellentäler fließen,
den Schritt beflügeln und das Herz erwärmen?

Die Luft ist rein, mit Duft und Kraft geladen,
die Glieder und den Geist mir zu verjüngen;
und winters werden Schnee und Nebelschwaden
des Eismeers Zauber in die Berge bringen.

Christina Egan © 2016


One stanza of this poem is printed in the Rhönkalender 2018 with a photo from that part of the Central German Highlands; the whole poem has been published in the Münsterschwarzacher Bildkalender 2019.

ich sammle das goldblatt / Scant Scent

ich sammle das goldblatt

ich sammle das goldblatt vom himmel
wer hat es gemalt?
den lapislazulischimmer
wer hat ihn bezahlt?

ich sammle den pfeil jener elster
ein schrei und ein flug
ich schneide das bild aus dem fenster
der glanz sei genug

ich fange den wind in den zweigen
bevor er verweht
ich schreibe mit purpur das schweigen
das späte gebet

Christina Egan © 2017

Bare branches against sunset in mauve and apricot; high mountains along horizon.


Sunset over the Bay
of Carthage, Tunisia,
around New Year’s Eve.

Photograph:
Christina Egan © 2013

 

 

 

Scant Scent

The incense of my prayer
turned damp in this dark place,
where layer upon layer
of cloud obscures the grace
of light and breath and warmth,
of ease and joy and strength —
O Lord of Hosts, accept
my incense with scant scent…

Christina Egan © 2017

Sonnenuhrzeiger / Sundial Garden

Sonnenuhrzeiger

Die Sonne gleißt auf grüner Flur:
Ein jeder wird zur Sonnenuhr.
Der Schattenmensch liegt lang im Gras,
der Abend schrumpft in gleichem Maß.

Die hingestreute Sternenzier
ist mürbes Laub wie Packpapier.
Die weißen Blumen tanzen stumm
um einen dicken Stamm herum.

O trink das Licht mit Haut und Haar:
Noch ist der Himmel hoch und klar!
O trink das Licht mit Aug und Sinn:
Es liegt die Kraft des Alls darin.

Christina Egan © 2016

Top of wall covered with lichen and tree with patchy bark, mirroring each other.

Sundial Garden

The sun will gain ground,
conquer inches of lichen,
of leaves and of lawn.
Across the square garden creeps
the shade of the steep gable.

Christina Egan © 2005


In these poems, a whole gardens turns into a sundial: in the first one, each person in the park is a sundial hand, and in the second, a house with a pointed roof fulfils this function, casting its shadow over a north-facing yard.

The first poem is set in late summer or autumn and in the late afternoon or evening, the second one in late winter or spring and possibly in the morning. The yearly and daily descent of the light is as inevitable as its subsequent rise.

Photograph: Christina Egan © 2016.